Samstag, 8. Oktober 2011
Der Große und die Mausi sitzen in Mausis Zimmer und schauen eine DVD. Ich luge rein und sage nur: "Irgendwie kommt's mir vor, ihr schaut nur ständig in diese viereckigen Kästen. Fenseher, Computer, Nintendo, Handy. " Die Mausi nur trocken: "Warum nicht? Machst du doch auch. Willste mitgucken?" Shit, sie hat recht. Ist nicht immer einfach, ein Vorbild zu sein. Hätte ich nur was Gescheites gelernt ...




Schon wieder. Der Fränkische Tag titelt in der heutigen Wochenendausgabe auf Seite 8:
Eine unbegreifliche Tat

14 Jahre Haft für den Mann, der das vier Monate alte Baby seiner Freundin vergewaltigt und getötet hat. Ein klares Urteil, und dennoch bleiben danach alle Beteiligten rat- und hilflos zurück.
...
Maik W. hatte im vergangenen Februar die erst vier Monate alte Amy vergewaltigt, geschlagen, geschüttelt und erst den Notarzt gerufen, als es zu spät war. Die Mißhandlungen hätten sich über eine halbe Stunde erstreckt, sagt die Richterin. Das kleine Mädchen habe erhebliche Schmerzen erlitten. "Dieses kleine Würmchen hatte überhaupt keine Chance, sich irgendwie zur Wehr zu setzen." Das sei "unbegreiflich".
...
Der Angeklagte erscheint ratlos, wie er mit der Schuld umgehen soll. Das psychiatrische Gutachten hatte ihm eine narzistische Neigung, eine deutliche Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung attestiert. Ihm fehle die Fähigkeit, Mitgefühl für andere zu entwickeln.
(FT/dpa)
Alle sind ratlos. Die Richterin ist ratlos. Die trauernde Mutter der kleinen Amy ist ratlos. Der Angeklagte ist ratlos. Ich bin ratlos. Sind 14 Jahre Wegsperren in ein Gefängnis genug? Was ist eine gerechte Strafe für so etwas? Sollte man noch eine Zwangskastration oben drauf setzen? Wäre das gerecht? Was wiegt mehr, das Recht so etwas hart zu bestrafen oder das Menschenrecht des Täters? Diese Fragen und die daraus entstehende Ratlosigkeit sind sprichwörtlich für die Situation in unserem Rechtsstaat. Ich frage mich, was sind die Ursachen für ein derartiges Verbrechen an einem wehrlosen Würmchen? Ich habe keine Antwort. Vielleicht Perspektivlosigkeit? Vielleicht die Ich-bezogene Gesellschaft? Oder der zunehmende Werteverfall? Das alles könnte eine Rolle spielen. Aber: all das ist keine Entschuldigung für solch eine Tat.

Mein Verstand sagt, man sollte das nicht so nah an sich heran lassen. Nur ich sehe meine 7-monatige Kleine, wie sie mich anlächelt, und muß sofort an Amy denken. Glück ist nicht selbstverständlich.




Freitag, 7. Oktober 2011
Wir sind beim Abendessen. Der Racker hat eine Laugenstange mit Butter vor sich liegen. Aber statt zu essen, wie ihm geheißen, klettert er lieber auf seinem Stuhl herum.
ich: "Racker, setz dich hin zum Essen."
der Racker: "Ich möchte einen Keks."
ich: "Ess erst deine Laugenstange. Dann gibt es einen Keks als Nachtisch."
der Racker: "Also gut."
Er setzt sich wieder hin, beißt einmal ab und mampft. Er beißt nochmal ab, und mampft wieder. Dann steht er auf und spielt wieder Klettergerüst mit seinem Stuhl.
ich: "Ist sie dir zu groß? Ich nehme dir eine Hälfte ab."
der Racker: "Ja. Ich gebe der Mama einen Keks, dem Papa einen Keks, dem Großen einen Keks, der Mausi einen Keks, der Kleinen einen Keks und mir."
ich: "Ja, tu das. Aber jetzt isst du erst deine Laugenstange auf."
Er setzt sich wieder hin, beißt einmal ab und mampft. Er beißt nochmal ab, und mampft wieder. Dann steht er auf und setzt sich auf den Zimmerteppich.
der Racker: "Ich will jetzt einen Keks."
ich: "Das hatten wir doch schon. Setz dich wieder hin und ess deine Hälfte auf. Dann gibts einen Keks."
Der Racker schmeißt sich hin, fängt an zu weinen und jammert: "Dann suche ich mir eben ein anderes Zuhause!"
Bauf. Das hat gesessen. Die Mama und ich schauen uns fragend an und können uns gerade noch das Lachen verkneifen.
ich frage nur: "Wo hat er denn das her?"
die Mama: "Na das sagt der Hase auf seiner Mondbär-CD."
ich: "Unser Racker hört ja Sachen."




Freitag, 7. Oktober 2011
Ist Erkenntnis mit Selbstzerstörung verbunden? Eine Diskussion.

Ein Mitglied der Focus-Fragen Community namens excduler (der Chemiker ist) stellte einmal die Frage, ob es Menschen mit übernatürlichen Kräften gibt. Diese Frage, neben vielen anderen, trifft ziemlich genau ins Schwarze, wenn jemand wie ich gleichzeitig naturwissenschaftlich ausgebildet und aber auch gläubiger Christ ist. Man ist oft konfrontiert mit Ungereimtheiten und Widersprüchen und sitzt eigentlich permanent zwischen zwei Stühlen. Es ist nicht einfach, dabei den Überblick zu behalten und den Grat zwischen wissenschaftlicher Objektivität und christlichem Glauben zu beschreiten.

excduler bezog sich bei der Frage auf einen Artikel, der sowohl Antworten als auch neue Fragen aufwirft.
tomkin: Nun, ich bin Physiker UND Christ. Als Christ halte ich alles für möglich, da es eine Entscheidung Gottes ist, was möglich ist, und was nicht. Nach der christlichen Überzeugung hat Gott nicht nur Mose, sondern insbesondere auch Jesus Christus "übernatürliche" Kräfte gegegeben. Durch diese Kräfte hat Christus sogar den Tod besiegt. Somit hat Gott zweifelsohne die Fähigkeit, auch anderen Menschen "übernatürliche" Kräfte zu verleihen. Ob er das tut und in welcher Form, liegt nicht in Menschenhand. Um die Frage zu beantworten: Ich kenne keinen persönlich. Aber ich halte es wie gesagt für möglich, daß es sie gibt. Ich habe das Wort "übernatürlich" in Anführungszeichen gesetzt. Der Physiker in mir stellt nämlich die Frage: Was heißt übernatürlich? Oft genug müssen wir Wissenschaftler zugeben, dass es Grenzen der wissenschaftlichen Objektivität gibt, die uns ziemlich ratlos zurücklassen. Sie zwingen uns zu erkennen, daß vieles nicht durch die uns heute bekannten Naturgesetze erklärt werden kann. Wer kann schon von sich behaupten, er habe verstanden, was in einem Schwarzen Loch vor sich geht? So gesehen ist bereits ein Schwarzes Loch eines dieser sogenannten paranormalen Phänomene. Übernatürlich ist all das, was wir (noch) nicht erklären können. Genau dort sehe ich aber auch den Berührungspunkt zur christlichen Überzeugung, auch wenn sich dieser Punkt durchaus noch verschieben kann. Wir verschieben stetig diese Grenze des "Übernatürlichen". Das ist der Weg der Erkenntnis.
Ja, der Weg der Erkenntnis. Darin liegt für mich der Schlüssel. excduler greift diesen Gedanken auf.
excduler: Dieser Weg der Erkenntnis ist mit Vielen Hindernissen gepflastert. Lange Zeit war die Erde eine Scheibe und die Elemente war Feuer, Wasser, Luft und Erde. Dann kam die Lehre von der Leere dazu. Nun haben wir das Periodensystem und die Teilchenphysik. Trotz dem Misstrauen der Kritiker ist das Ende der Erkenntnis noch in weiter Ferne. Die Relativität sollte das Verständnis nicht einschränken.
Aus der vermeintlich harmlosen Frage wurde eine interessante Diskussion, wie die Natur der Menschheit, Glaube und Erkenntnis zusammenpassen. Meine Antwort darauf:
tomkin: Ich denke, dieser Weg hat auch kein Ende. Naturphilosophische Erkenntnis setzt immer eine Abwägung zwischen Wissen und Glaube voraus. Mit wachsender Erkenntnis erklärt das Wissen Dinge, die vorher eine Frage des Glaubens waren. Nur es wird immer diese Grenze zum Glauben geben. Siehe Schwarze Löcher. Es ist unser Schicksal, daß wir nie alles wissen werden. Das bleibt Gott überlassen.
Ich weiß, Schicksal ist ein hartes Wort. Aber der letzte Satz drückt meine innerste Überzeugung aus. Und das hat excduler offenbar herausgefordert.
excduler: Nein unser Schicksal wird sein, dass wir unsere Chancen nicht nutzen und in Widersprüchen versuchen die Verantwortung die wir gegenüber dem Leben haben auf eine Macht zu übertragen die ein Teil unseres Verstandes ist. Das Personifizieren dieser Macht ist durch Menschen gemacht und bekanntlich machen Menschen Fehler.
Nun, das ist definitiv die Philosophie eines vorwiegend naturwissenschaftlich geprägten Chemikers. Allein der letzte Satz ist äußerst provokativ für einen Christen.
tomkin: Na ja, sie haben nun Ihre Philosophie dargelegt, ich vorher meine. Nach meiner ist weder Gott noch dessen Personifizierung ein Teil unseres Verstands. Das ist der Unterschied. Ich bin allerdings selbstkritisch genug zuzugeben, daß ich nicht weiss, welche die richtige ist. Sie auch? Das ist eben der Unterschied zwischen Wissen und Glauben.
Diesen Unterschied zwischen Wissen und Glauben zu erkennen, das ist der Grat, von dem ich eingangs sprach. excduler hat damit allerdings etwas anderes gemeint. Seine Antwort darauf erschloss mir den Grund, weshalb er diese Frage gestellt hatte.
excduler: Allein das Wissen, dass der Mensch fehlbar ist (Jeder) lässt mich hoffen (ich hoffe es) unseren Verstand so zu gebrauchen um die respektvolle Nutzung unserer Ressourcen zu erreichen. Es wurde in der Tat schon viel zu viel zerstört.
Der verschwenderische Umgang mit unseren Ressourcen ist wahrhaftig ein unglaubliches Vergehen an der Schöpfung. Das zu erkennen, und auch zu ändern, gehört für mich auch zum Weg der Erkenntnis.
tomkin: Das ist wahr. Ich denke, die Ursachen dafür liegen aber nicht im Versagen der Menschheit, ihr Wissen zu vermehren und zu benutzen. Sie liegen eher in der Arroganz mancher Menschen, sie stünden über diesem Wissen. Somit teile ich Ihre Hoffnung. Diese Arroganz gilt es abzulegen, und dazu gehört natürlich auch der Respekt vor dem Rest des Universums außerhalb der eigenen menschlichen Hülle.
Respekt. Das wichtigste. Jeder Schritt auf dem Weg der Erkenntnis setzt voraus, daß man den Respekt vor dem bereits Erkannten nicht verliert. Ein Sprichtwort sagt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Das trifft auf jeden zu. Aber um so schlimmer ist es, wenn man wider besseren Wissens sträfliches tut.
excduler: Warum alles nur so abstrakt betrachten? Das ist die Arroganz der Macht.

tomkin: Oje, ich denke, die hat viele Namen. Gier nach Macht, Ruhm, Reichtum, neben dem Verfall in Rücksichtslosigkeit, Respektlosigkeit, etc. pp. ich höre auf. Um nicht depressiv zu werden bei so einer Liste, nenne ich das nachwievor allumfassend "menschliche Arroganz". Denn "Untugend" ist dafür zu harmlos. Vielleicht erfordert das ja wirklich übernatürliche Kräfte. Aber darauf dürfen wir nicht warten.
Womit wir wieder bei der ursprünglichen Frage waren. Ich hoffe sehr, daß der Weg der Erkenntnis durch diese "menschliche Arroganz" nicht irgendwann ein jähes Ende findet und der letzte Mensch sich seinen Darwin-Award verdient hat. Aber ich bin guter Hoffnung.